Die Power Platform wächst aus den Pupertätsjahren heraus und es ist an der Zeit, ihr die nötigen Manieren und Regeln zum gesitteten Zusammenarbeiten innerhalb der Unternehmung beizubringen. Welches die wichtigsten Neuerungen sind, welche Regeln es nun braucht und wo die Grenzen gezogen werden müssen, zeigt dieser Blogbeitrag auf.
Inhalt dieses Blogposts
- Wer Wildwuchs säht, wird Chaos ernten
- Die wichtigsten drei Power Platfrom Ankündigungen der Ignite 2022
- Ankündigung 1: General Availability of Managed Environments
- Ankündigung 2: ALM (Application Lifecycle Management) Pipeline Automation
- Ankündigung 3: Co-Authoring in Power Apps
- Die drei zentralen Fragen bezüglich der Power Platform Governance
- Fazit zu den Ausbauplänen der Power Platform
Wer Wildwuchs säht, wird Chaos ernten
Microsofts Hausmesse «Ignite» gewährte auch dieses Jahr wieder tiefe Einblicke in kommendes und zeigt die strategische Stossrichtung für die verschiedenen Geschäftsfelder auf. Am Beispiel der Power Platform ist ein Jugendlicher aus der Pubertät herausgewachsen. Die Lizenzierungsarten der Plattform bleiben im nächsten Jahr unverändert. Nun ist es aber an der Zeit, dass dem Sprössling Manieren beigebracht und Regeln zum gesitteten Zusammenarbeiten innerhalb der Unternehmen beigebracht werden.
2023 werden wir uns vermehrt mit den Fragen befassen, welche Spielregeln beim Automatisieren von Prozessen einzuhalten sind und wo Grenzen gezogen werden müssen.
Update vom März 2023: An der M365 & SharePoint Community vom 08.03.2023 habe ich ein Referat zum Thema Power Platform Governance gehalten:
Die wichtigsten drei Power Platform Ankündigungen der Ignite 2022
Ankündigung 1: General Availability of Managed Environments:
Verwaltete Umgebungen (Managed Environments) ermöglichen es, auf Knopfdruck ein Set an out-of-the-box Governance-Funktionen zu aktivieren. Dadurch wird die Administration der Power Platform vereinfacht und die Prozesse dazu verschlankt.
IT-Abteilungen sind zunehmend mit dem rasanten Anstieg an Apps gefordert, um die Sicherheit und Überwachung dieser dezentralen Technologien zu gewährleisten. Gleichzeitig soll der Einsatz der Power Platform skalieren, sich also auszahlen mit dem Einsatz durch die grosse Masse und die Digitalisierung in den Unternehmen weiter beschleunigen. Die richtige Balance zwischen Einschränkung und Befähigung zu finden, ist nicht einfach. Aus diesem Grund wurden Managed Environments entwickelt.
Power Automate Flows und Power Apps, welche sich in einer verwalteten Umgebung befinden, bedingen zur Ausführung eine «standalone» Power Apps oder Power Automate Lizenz für jeden User, der diese einsetzt.
Beispiele der Governance-auf-Knopfdruck-Features
Als Beispiele für die Vorteile der neuen, verwalteten Umgebungen nennt Microsoft folgende Funktionen:
Weekly Digest E-Mails: Eingeführt mit dem «Center of Excellence» Tool Kit, werden nun die wöchentlichen Übersichtsnachrichten generalisiert. Administratoren sollen so einen besseren Überblick behalten und geteilte Lösungen einfacher verwalten können. Generell werden im Power Platform Admin Center mehr Analyse-Dashboards und Reports zur Verfügung stehen.
Insight Cards: Mit “Insight Cards” werden im Admin-Center die Top-Makers, Apps und Flows hervorgehoben. Informationen zum Status der Apps und Flows lassen raschere Entscheidungen zu, ob eine Lösung noch verwendet wird oder nicht. Ziel ist es auch hier wieder, den Tenant «sauber» zu halten, ohne viel Aufwand dafür zu generieren.
App sharing controls: Damit eine Lösung (bestehend aus Flows, Apps, Tabellen, etc.) von den Usern eingesetzt werden kann, muss diese mit den entsprechenden Benutzern geteilt werden. Dieser Prozess wird innerhalb von Managed Environments angepasst. Neu wird es möglich sein, zu verlangen, dass Anwender und Anwenderinnen entsprechende Schulungen absolviert haben, bevor die Lösung zur Verfügung steht. Auch interne Guidelines und Best Practices stehen an einem zentralen Ort zur Verfügung.
Ankündigung 2: ALM (Application Lifecycle Management) Pipeline Automation:
«ALM pipeline automation» ist ein weiteres Feature, das grosse Erwartungen schürt und viele Hoffnungen weckt.
Einer der schwierigeren Governance-Aspekte betrifft das «Application Lifecycle Management». Lösungen von einer Integrationsumgebung in die produktive Umgebung zu portieren, stellt Citizen Developers vor eine grosse Herausforderung. Meist wurde dies durch manuelles Exportieren und Importieren der Lösung bewerkstelligt, wodurch die Nachvollziehbarkeit sank und gleichzeitig die Anfälligkeit auf Fehler stieg.
Die neue Funktionalität vereinfacht diesen Prozess und stellt entsprechende Werkzeuge zur Verfügung. Die Funktion ist erneut den Managed Environments vorbehalten und stellt eine automatisierte «Umzugsfirma» zur Verfügung, welche auf Knopfdruck eine Lösung zwischen den Environments hin und her schiebt. Aber Achtung: Das Ganze funktioniert nur, wenn sich alle Ressourcen (Apps, Flows, Tables, etc.) innerhalb der Umgebung befinden, sprich Dataverse als Speicherort der Daten genutzt wird.
Tipp der IOZ: Nutzen Sie SharePoint-Listen als Datenquellen für Ihre Canvas PowerApps? Auch da gibt es Möglichkeiten, um das Deployment von solchen Lösungen automatisiert ablaufen lassen, damit für das Portieren von DEV-INT-PROD und vis versa keine manuellen Handgriffe mehr notwendig sind. Kontaktieren Sie uns bei Interesse.
UPDATE vom März 2023: an der Microsoft 365 & SharePoint Community vom 08.03.2023 hat Reto Stadelmann ein Referat zum Thema Application Lifecycle Management und Staging mit der Power Platform gehalten:
Ankündigung 3: Co-Authoring in Power Apps:
Bisher konnte eine Power App nur von einer Person gleichzeitig bearbeitet werden. Ein paralleles Arbeiten am «Code» war nicht möglich. Dies ändert sich mit der neu vorgestellten Co-Autoren-Funktion.
Ehrlich gesagt glauben wir nicht daran, dass viele Makers gleichzeitig an einer App arbeiten werden. Das Feature hat aber aus Governance-Sicht durchaus seine Berechtigung. Soll eine Standardisierung der Apps erreicht werden, kann ein Co-Autor so schnell ein Review durchführen und die Citizen Developers beim wöchentlichen Jour fixe auf Abweichungen hinweisen.
Die drei zentralen Fragen bezüglich der Power Platform Governance
Warum habe ich genau diese drei Ankündigungen als wichtigste ausgewählt? Sie alle zielen darauf ab, die Power Platform sicherer, stabiler und wartbarer zu machen, so dass sie den Ansprüchen an eine professionelle Automatisierungsplattform gerecht wird. Selbstverständlich kommen ständig neue Features dazu. Die neuen Herausforderungen bestehen aber darin, Wildwuchs zu verhindern, Gesetzesregeln (bspw. Datenschutz) einzuhalten, Apps automatisiert von der Entwicklungs- in die Produktivumgebung zu übernehmen, Verantwortlichkeiten zu definieren und businesskritische Flows zu identifizieren.
Zusammengefasst werden uns im nächsten Jahr mit folgenden drei Fragen beschäftigen:
- Wer baut?
- Wer supportet?
- Wer entscheidet?
Wer Lösungen mit der Power Platform bauen soll, benötigt Fähigkeiten (Skills), wie man ein solches Vorhaben angeht. In Schulungen wird das technische Wissen zum Einsatz von PowerApps, Power Automate, Power Virtual Agents, etc. vermittelt.
Wer aber supportet diese Lösungen? Sind es die Maker (Citizien Developers) dieser Apps und Flows, welche als Haupttätigkeit eine fachliche Aufgabe im Unternehmen haben. Oder gibt es eine zentrale (IT-) Supportstelle, die sich sonst auch um alle Geschäftsapplikationen kümmert? Wie wird in diesem Fall das Know-How von den Makern an die IT-Supportstelle übergeben und à jour gehalten? Wie soll ein IT-Mitarbeiter eine App supporten können, wenn im Unternehmen keine Standards und Best Practices definiert wurden? Welche Tools stehen dieser Stelle zur Verfügung, um ein zweckdienliches Monitoring aufzubauen?
Oder auf den Punkt gebracht: Wer muss die Verantwortung übernehmen, wenn eine Lösung nicht mehr funktioniert?
Wer entscheidet also alle vorangegangenen Fragen? Man könnte sagen, dass der oder die entscheidet, der/die bezahlt. Was heisst das im Falle von Power Apps und PowerAutomate, beides Services welche in gewisse Endanwender-Lizenzen inkludiert sind? Oder auch hier ganz direkt gefragt: Wer soll entscheiden, wenn die Power Platform kostenlos genutzt werden kann?
Update vom März 2023: Inzwischen haben wir einen Power Platform Governance Workshop lanciert, in welchem wir die wichtigsten Regeln, Leitplanken und Vorgaben für die Arbeit mit der Power Platform erarbeiten.
Fazit zu den Ausbauplänen der Power Platform
Seit etwa 3 Jahren kann die Power Platform von den Endanwenderinnen und Endanwendern ohne zusätzliche Lizenzkosten genutzt werden. Das Ziel von Microsoft ist klar: Die «Consumption» bei den Kunden steigern, fremde Anwendungen möglichst durch einen M365-Serice verdrängen. Durch das «Citizen Development» Konzept untergräbt Microsoft die bis dato herrschende Hoheit der IT-Abteilungen über ihre Anwendungen und deren Support Level Agreements. Organisationen, die diese Absicht durchschaut haben, können sich ganz einfach für die Zukunft wappnen.
Überlegen Sie sich, wer in ihrem Unternehmen Workflows und digitale Formulare bauen soll. Entscheiden Sie, welche Stelle entsprechende Ressourcen (Zeit, Tools, Weiterbildungen) erhält, um den Betrieb der digitalisierten Prozesse gewährleisten zu können. Und zuletzt siedeln Sie die Entscheidungskompetenz bezüglich ihrer Vorhaben zur Digitalisierung an einer zentralen Stelle an.
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Geschrieben von
Raphael Bachmann
Teamleiter Apps & Services und Nintex virtual Technical Evangelist
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